Eifel-Roulette:     ISBN: 978-3-95959-107-2
Eifel-Roulette:     ISBN: 978-3-95959-107-2

Kommissar Laubach hat sich in der Eifel eingelebt. Seit kurzem sogar mit Freundin, etwas, was er lange schmerzlich vermisst hat. Noch mehr allerdings vermisst er einen spannenden Fall. Als die Kollegen Wiese und Sigismund einen Mord entdecken, der in irgendeiner Form mit dem lokalen Glücksspiel zusammenzuhängen scheint, hat Laubach daher nichts Eiligeres zu tun, als sich einzumischen. Fordert er damit das Schicksal heraus?

Leseprobe:

Der Mann hatte genau noch fünf Minuten zu leben. Natürlich wusste er nicht, dass er bald sterben würde. Sonst hätte er wahrscheinlich nicht seine letzten Minuten damit verbracht, sich die verregneten Hügel der östlichen Eifel anzusehen, an denen sein Wagen auf dem Weg zur ehemaligen belgischen Grenze vorbeiraste. Vielleicht hätte er ansonsten etwas feierliches getan. Irgendetwas, das eine wichtige Bedeutung hatte. Doch so tat er nichts. Schließlich konnte er nicht wissen, dass er bald sterben würde. Das Wetter und die Monotonie der Landschaft schlugen ihm auf´s Gemüt.

Ich werde für ein wenig Musik sorgen, dachte er, öffnete mit der rechten Hand die Klappe des Handschuhfachs, während seine linke das Lenkrad umfasste. Auf der Bundesstraße 258 war kein Verkehr. Er kramte in dem Fach herum.

Hier müsste doch eigentlich mein USB-Stick sein...Nein, nichts. Verdammt, wo habe ich das Ding nur hingelegt? Ah, da hinten kommt ja schon die Kreuzung. Welche Abbiegung muss ich noch mal nehmen, die rechte oder die linke?

Er entschied sich für die linke und gab richtig Gas. Es war die letzte Minute seines Lebens. Ihm juckte die Nase. Er zog ein Taschentuch aus seiner Jackentasche und schnäuzte sich. Plötzlich war er da, der kleine Sportwagen. Er hatte ihn überhaupt nicht kommen sehen. Noch dreißig Sekunden. Er riss das Lenkrad herum, versuchte zu bremsen. Zu spät. Noch zwanzig Sekunden. Sein Wagen schleuderte und raste auf den Abhang zu. Noch zwölf Sekunden. Er donnerte durch die Fahrbahnmarkierung den Abhang hinunter und überschlug sich. Noch zwei Sekunden. Die Explosion katapultierte ihn aus dem Fahrersitz.

Die beiden Polizisten, die zuerst am Unfallort eintrafen, hießen Sigismund und Wiese. Irgendjemand hatte die Zentrale angerufen und den Unfall gemeldet. Sie waren ganz in der Nähe unterwegs gewesen und hatten sich sofort auf den Weg gemacht. Trotzdem war wertvolle Zeit vergangen. Auf der kleinen Lichtung unterhalb der steilen Böschung sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Das Unfallfahrzeug war völlig ausgebrannt. Der Fahrer, beziehungsweise das, was noch von ihm übrig war, lag einen guten Meter daneben. Die Herren Sigismund und Wiese konnten nichts mehr für ihn tun. Er muss sofort tot gewesen sein. Was ihnen blieb, war Routine: Den Unfallort sichern, Indizien sammeln, Zeugen befragen. Da war zunächst das Pärchen, das in dem Sportwagen gesessen hatte. Die beiden jungen Leute standen unter Schock. Sie hockten auf dem Boden neben ihrem Fahrzeug und versuchten zu begreifen, was geschehen war. Sie weinte, schüttelte immer wieder den Kopf. Er sagte kein Wort, blickte mit entsetzter Miene auf die Bremsspuren, die deutlich auf dem Asphalt zu erkennen waren. Er hatte am Steuer des kleinen Mazda gesessen, doch ihn traf keine Schuld. Der andere Wagen war viel zu schnell gefahren.

„Wir hatten Vorfahrt“, sagte er dann doch zu Sigismund, der ihn zu dem Unfallhergang zu befragen versuchte, während sein Kollege Wiese die Unfallstelle näher in Augenschein nahm.

„Ich weiß auch nicht“, erklärte der junge Mann weiter. „Es ging alles so rasend schnell. Auf einmal war der schwarze Touran da. Der Fahrer muss uns zu spät bemerkt haben, ist dann voll in die Eisen gestiegen und hat das Lenkrad herumgerissen. Aber damit hat er den Wagen zum Schleudern gebracht, ist dann direkt auf den Abhang zu gefahren und....“

Der Rest war angesichts des Trümmerfeldes da unten auf der Lichtung leicht vorstellbar.

„Hey Rainer“, rief Wiese zu seinem Dauner Kollegen hinauf. „Ich glaube ich habe seine Brieftasche gefunden. Da drin steckt ein Führerschein und ein Personalausweis. Und dahinten liegt noch eine zertrümmerte Brille und ein einzelner schwarzer Schuh. Die Explosion muss verdammt heftig gewesen sein.“

Sigismund schenkte dem Beamten von der Polizeidirektion Mayen-Koblenz einen vielsagenden Blick, nahm seine Sonnenbrille ab und wischte mit dem Zipfel seines weißen Pilotenhemdes über die gespiegelten Gläser. Darin schien er eine gewisse Übung entwickelt zu haben.

„Na, so wie das bei dir da unten aussieht! Übrigens kannst du den anderen Kram getrost dort liegen lassen. Die Wühlmäuse von der KTU graben nachher sowieso noch einmal alles um. Bring die Brieftasche mit und komm nach oben. Ich bin mit den beiden Zeugen hier soweit durch. Der Notarzt und der Leichenwagen werden auch gleich da sein. Dann müssen wir die Personalien des Unfallopfers an Laubachs Sekretärin durchgeben, damit die dessen Angehörige benachrichtigen kann. Gut, dass diese Aufgabe nicht an uns hängen bleibt. Ich hasse, es Todesnachrichten zu überbringen. Also los, komm schon rauf...“

Der Tote hieß Werner Metzger, war 56 Jahre alt und wohnte in Euskirchen. Seine Angehörigen bestanden im wesentlichen aus seiner Frau Christel, die gerade dabei war Frühstück zu machen, als sie durch das Klingeln an der Haustür unterbrochen wurde.

„Werner, magst du keinen Kaffee heute morgen?“, rief sie durch das Fenster hinunter auf den Hof.

„Jetzt nicht, ich muss zuerst die Hühner füttern.“

„Hast du gehört, es klingelt an der Tür. Wer das wohl sein mag?“

„ Na, das erfährst du am ehesten, wenn du mal nachsiehst!“ Werner schüttelte den Kopf. Christel ging zu Tür, öffnete und starrte in die trübseligen Gesichter zweier Männer in Uniform.

„Ja bitte?“

Einer der beiden Männer kratzte sich am Kinn. „Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Sind sie Frau Metzger?“

„Ja die bin ich. Was kann ich für Sie tun?“

Der Mann schluckte. Man sah ihm an, dass er sich nicht besonders wohl in seiner Haut fühlte.

„Äh...dürfen wir vielleicht für einen Augenblick zu Ihnen ins Haus kommen?“

Christel Metzger überlegte. Dann sagte sie: „Aber sicher. Treten Sie nur ein.“

Sie ging von der Tür ein Stückchen zurück in den Flur und lehnte sich an den Türrahmen.

„Ich bin Wachtmeister Liersen von der Verkehrspolizei Euskirchen. Ihr Mann hatte einen Autounfall, Frau Metzger.“

Sie schnappte nach Luft. „Was sagen Sie da, einen Autounfall, mein Mann?“

„Ja, gestern, am späten Abend. Es tut mir wirklich sehr leid, er ist...tot.“

Jetzt krallte Christel Metzger ihre Fingernägel in den Türrahmen. „Tot?“, fragte sie ungläubig.

„Ja leider, schlimme Sache. Meine Kollegen aus Daun haben ihn...., ach was,.., mein herzliches Beileid, Frau Metzger!“

Der Beamte versuchte ein paar tröstende Worte zu finden, doch Christel Metzger reagierte völlig anders, als er es erwartet hatte. Plötzlich und unerwartet, lies sie den Türrahmen los,  kam auf ihn zu und donnerte erbost auf ihn ein.

„Sagen Sie mal, das soll wohl ein übler Scherz sein, was! Was fällt Ihnen überhaupt ein? Wie können Sie so etwas erzählen? Eine Frau so zu erschrecken und das am frühen Morgen!“

Die beiden Polizisten sahen sich verwundert an. Solch eine krasse Reaktion hatten sie nicht erwartet. Aber was dann folgte, haute sie glatt um.

„Werner!“

„Ja?“

Die Stimme kam von irgendwo weiter unten.

„Werner, komm doch mal her!“

„Was ist denn? Ich bin noch bei den Hühnern!“

„Na komm bloß mal her und hör dir das an.“

„Ja warte, ich komm schon. Was ist denn los?“

Die beiden Polizisten blickten sich an. In ihren Augen zeigte sich eine gewisse Ratlosigkeit. Ein Mann erschien auf der Bildfläche.

„Verzeihung, Frau Metzger, wer ist der Herr?“, fragte einer der beiden Beamten.

„Na, das ist mein Mann!“

„Wie bitte?“

Der Mann blickte die beiden Beamten mit großen Augen an. „So, da bin ich. Was will denn die Polizei schon so früh von uns?“

Christel Metzger war in ihrem Element.

„Stell dir vor, sie behaupten, du hättest einen Unfall gehabt.“

„Was ich? Das kann doch nur eine Verwechslung sein.“

Der Polizist, der gerade noch die Frage gestellt hatte, drängte sich dazwischen. „Entschuldigung, wie heißen Sie?“

„Werner Metzger!“

„Wann und wo sind sie geboren?“

„12. Oktober 1961, hier in Euskirchen.“

„Na, das ist doch...können Sie sich ausweisen?“

„Ja selbstverständlich. Mein Ausweis liegt in der Nachtkonsole im Schlafzimmer.  Einen Moment, ich werde ihn sofort holen.“

„Danke, ich warte.“

Der Mann ging in eines der hinteren Zimmer. Zwei Minuten später war er zurück. „Ist denn irgendetwas nicht in Ordnung?“, fragte er.“

„Nicht in Ordnung ist gut. Gestern Abend um 23:00 Uhr ist bei einem Verkehrsunfall auf der B 258 in der Nähe von Schleiden ein Werner Metzger tödlich verunglückt. Wir haben vorhin die Meldung rein bekommen, die Personalien stimmen völlig mit den ihren überein.“

Werner Metzger machte eine Miene, die erahnen ließ, dass er überhaupt nichts verstand.

„Was? Das gibt es doch gar nicht.“

„Anscheinend doch!“

„Jedenfalls bin ich der richtige Werner Metzger, oder wollen sie das bezweifeln?“

Nun, ich denke, das wird sich aufklären. Jedenfalls hatte der andere seinen Wohnsitz ebenfalls unter dieser Adresse.“

Jetzt war Christel Metzger an der Reihe, Sie war sichtlich erbost. „Aber ich werde doch wohl noch meinen Mann kennen!“

Der Beamte versuchte zu beschwichtigen. „Ja, ja natürlich. Aber seltsam ist das Ganze schon.“

„Mögen Sie vielleicht einen Kaffee?“ Christel Metzgers Stimme veränderte sich auf der Stelle.

„Lieber nicht. Wir müssen los. Sie werden noch von uns hören.“

„ Na ich weiß ja nicht...“

„Auf Wiedersehen.“

„Nur ungern.“